Der Cantillon Effekt – Weshalb Reiche immer reicher werden.

Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer grösser. Dahinter steckt System. Gibt es eine Möglichkeit, die Lücke zu schliessen und das aktuelle Geldsystem fairer zu machen?

Der Cantillon Effekt – Weshalb Reiche immer reicher werden.

Die reichsten 1% der Erwachsenen in Deutschland besitzen zusammen etwa 35% des Gesamtvermögens. Die reichsten 10% der Erwachsenen besitzen zusammen 67% des Gesamtvermögens. Und die reichsten 50% der Deutschen besitzt stolze 98,6% des Gesamtvermögens. Die ärmere Hälfte besitzt also lediglich einen Anteil von 1,4% am Gesamtvermögen der Deutschen Bürger.

In vielen anderen europäischen Ländern sieht die Verteilung des Vermögens ziemlich ähnlich aus, wenn auch nicht immer so drastisch wie in Deutschland. Vergleichbar ist Deutschland vor allem mit der weltweiten Situation. Die Credit Suisse gibt in ihrem Global Wealth Report 2021 an, dass die ärmsten 55% der erwachsenen Bevölkerung der Welt jeweils weniger als 10'000$ Vermögen haben. Damit bilden sie insgesamt nur 1,3% des Gesamtvermögens ab.

Nochmals:
55% der Menschen verfügen nur über 1,3% des weltweiten Vermögens!

Inbegriffen sind hier natürlich auch diejenigen, die verschuldet sind. Die reichsten 1,1% der erwachsenen Weltbevölkerung verfügen über mehr als 1'000'000$. Sie halten damit fast die Hälfte des weltweiten Gesamtvermögens!

Die Ungleichheit in der Vermögensverteilung verstärkt sich von Jahr zu Jahr. Die Gründe für dieses Phänomen sind vielfältig. Viel hängt von der individuellen Herkunft der Person ab. In entwickelten Industrieländern ist es einerseits einfacher selbst ein hohes Vermögen zu erwirtschaften. Andererseits werden diese auch durch Erbschaften in Familien weitergegeben. Ein weiterer Grund sind persönliche Faktoren wie Leistungs- und Risikobereitschaft.

Wir werden uns heute einen der Gründe ansehen, weshalb die Vermögen immer weniger gleich verteilt sind und eine Rückkehr zu einem ausgeglicheneren Status in unserem aktuellen Geldsystem unwahrscheinlich ist. Kurzum: Wieso werden Reiche immer reicher und Arme immer ärmer?

Der Cantillon Effekt in der Praxis

Schuld an der ansteigenden Quote der Ungleichheit ist der sogenannte Cantillon Effekt. Er beschreibt ein Verteilungsproblem im Zentralbanksystem. Benannt wurde der Effekt nach seinem Entdecker, dem Ökonomen Richard Cantillon. Er beobachtete den Effekt der ungleichmässigen Verteilung neu geschaffener Geldmenge bereits im frühen 18. Jahrhundert. Damals ging es noch um Edelmetalle wie Gold und Silber. Doch der Cantillon Effekt wirkt im Fiatsystem genauso - wenn nicht sogar mehr.

Definieren kann man den Cantillon Effekt im Grunde so: Eine Erhöhung der Geldmenge in einer Ökonomie wird nicht gleichmässig an alle seine Teilnehmer verteilt. Es profitieren diejenigen, die Näher an der Quelle des Geldes sitzen. Die Kosten der Erhöhung werden jedoch von allen gleichmässig getragen.

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Erinnerst du dich an das Beispiel mit den Muscheln? Schau dir unser Video auf YouTube dazu an, wenn du es noch nicht kennst.

Von der Geldschöpfung profitieren zuerst staatsnahe Unternehmen, Politik und der Finanzsektor. Später die Industrie. In den meisten Fällen können Privatpersonen nur unterproportional von einer Erhöhung der Geldmenge profitieren und müssen die erhöhten Kosten für Konsum- und Investitionsgüter dennoch zahlen. Personen, die vor Erhöhung der Geldmenge bereits in Firmen oder Rohstoffe investiert haben (oder eine begünstigte Position in der Ökonomie oder Politik einnehmen), werden strukturell bevorteilt. Da die Geldneuschöpfung in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Prozess der Zentralbanken war, ist eine kontinuierliche Erhöhung der Ungleichheit eine natürliche Folge.

Das folgende Comic von Lina Seiche veranschaulicht den Cantillon Effekt sehr schön:

Ein Grund für die Ungleichheit ist der Mechanismus der Geldneuschöpfung. Um Geld neu in den Umlauf zu bringen, werden vorrangig günstige Kredite für Investitionen vergeben. Die Belastung durch die Kredite wird durch Inflation verringert. Um diese Kredite zu erlangen, müssen Sicherheiten hinterlegt werden. Wer wenige Sicherheiten hat, wird weniger Kredite bekommen. Dieses System hat also einen selbstverstärkenden Effekt.

In der Bitcoin Community hört man manchmal die Begriffe Cantillon-Oligarchie oder Cantillionaire. Sie werden dazu benutzt, Personen (oder Gruppen von Personen) zu beschreiben, die sich an diesem unfairen Verteilungsmechanismus der erhöhten Geldmenge bereichert haben. Durch den unbegrenzten Zugang zu neu geschaffenem Geld haben diese Personen einen ständigen First-Mover Vorteil, da sie im Grunde neben dem Gelddrucker stehen.

Vor der Entwicklung von Bitcoin schien die offensichtliche Lösung des Problems Kommunismus zu sein. Diese politische Philosophie verspricht eine gerechte und ausgewogene Gesellschaft. In der Praxis führen die planwirtschaftlichen Ansätze der kommunistischen Regime jedoch genauso zu Verteilungsproblemen.

Bietet Bitcoin eine Lösung?

Satoshi Nakamoto fügte dem Genesis Block (erster geschürfter Block) von Bitcoin folgende Nachricht hinzu: „The Times 03/Jan/2009 Chancellor on brink of second bailout for banks“ (Übersetzt: Finanzminister steht kurz vor einem zweiten Rettungspaket für Banken). Damit verwies er auf die milliardenschwere Hilfspakete nach der Finanzkriese 2008 und den Versuchen, die Banken (welche wahrscheinlich am meisten Schuld für die Finanzkrise waren) zu retten. Dieser direkte Verweis auf das mit dem Verteilungsproblem behaftete Geldsystem lässt in seiner Interpretation ebenfalls einen Hinweis auf die Problematik des Cantillon Effekts zu.

Bitcoin eliminiert den Cantillon Effekt durch seine Distributionsweise. Bitcoin kann nur durch einen Arbeitsnachweis (Proof-of-work) ‚vermehrt‘ werden. Niemand kann also Bitcoin nach Lust und Laune einfach erstellen. Um an Bitcoin zu kommen, muss man jemanden bezahlen oder eine Leistung erbringen. Ein Austausch von Bitcoin wird also nur durch Produktivität vollzogen, womit eine wahrhaftige Leistungsgerechtigkeit sichergestellt ist.

Bitcoin sorgt so zum ersten Mal in der Geschichte des Geldes für eine neutrales Geld. Es gibt keine Mittelsmänner, die an der Geldschöpfung profitieren, oder andere darin Einschränken können, das erwirtschaftete Geld frei auszugeben. Auf diese Art und Weise entsteht ein Geld, das ökonomische Chancengleichheit sicherstellt und jedem Zugang gewährt.

Ist Bitcoin gerecht verteilt?

Die nachstehende Tabelle zeigt, dass Bitcoin alles andere als gerecht verteilt ist. Wenn man davon ausgeht, dass jede Person nur eine Bitcoin-Adresse besitzt, haben die Hälfte der Besitzer lediglich 0.02% der Bitcoin. Die reichsten 2.5% besitzen rund 94% der Bitcoin.

Ist Bitcoin damit noch ungerechter verteilt als der Euro oder der Schweizer Franken? Diese Frage lässt sich nicht wirklich beantworten. Denn einerseits kann eine Person mehrere Bitcoin-Adressen besitzen. Und andererseits gehören die Adressen mit den meisten Bitcoin sehr wahrscheinlich zu Kryptobörsen. Würden alle Person ihre Bitcoin auf eine eigene Wallet transferieren, würde die Verteilung mit Sicherheit anders aussehen. Aufgrund der Pseudonymität des Netzwerks ist die echte Verteilung leider nur sehr schwierig zu erfassen.

Wichtig zu wissen: Mehr Bitcoin bedeutet nicht, dass man mehr Macht im Netzwerk hat. Dazu kommt, dass Bitcoin ohne Einschränkungen von jedem genutzt werden kann. Niemand kann dich daran hindern, daran teilzunehmen. Genau hier unterscheidet sich Bitcoin zum aktuellen Geldsystem.

Fazit

Der Cantillon Effekt ist ein grosser Treiber der Vermögensungleichheit in der Welt. Wer die besseren Startvoraussetzungen hat, oder sich eine Position näher an der Quelle des Geldes erarbeitet, wird stets im Vorteil sein. Ein Geldsystem, in dem jeder Teilnehmer nur darauf aus ist, seine Position in der Hierarchie zu verbessern, wird immer unsozial, unfair und korrupt sein. Wenn eine Belohnung für unfaires Verhalten im Fundament des Systems verankert ist, wird aus diesem niemals ein maximal produktives und innovationstreibendes System entstehen. Die willkürlichen Eingriffe ins Geldsystem durch die Zentralbanken sind somit nicht nur beinahe planwirtschaftlich, sondern führen auch zur Bereicherung Weniger auf Kosten Vieler.

Bitcoin sorgt für ein geebnetes Spielfeld für alle Mitspieler des Systems. Zusätzlich zur maximalen Inklusionsfähigkeit und Fairness des Systems gibt Bitcoin die Möglichkeit, eine sichere ökonomische Kalkulation für Unternehmen und Privatpersonen durchzuführen. Durch die festgeschriebene und nahezu unveränderliche Inflationsrate hat jeder die Möglichkeit Investitionen und Anschaffungen mit vollständiger Kenntnis über die zukünftige Kaufkraft seines Vermögens zu tätigen.

Auch wenn Bitcoin heute vermutlich noch ungerecht verteilt ist, so liegt es an uns, dies zu ändern. Jeder hat die Möglichkeit, Bitcoin zu erlangen und ein System zu unterstützen, in welchem der Cantillon Effekt nicht wirkt.

Ob damit die Ungleichheit auf der Welt gelöst werden kann? Keine Ahnung. Wahrscheinlich nicht. Aber haben wir eine Alternative? Wahrscheinlich auch nicht. Ein Versuch ist es unserer Meinung nach dennoch Wert.

Geniess die BitcoinReise und bis zum nächsten Mal.

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